19. März 2024 Die Masse lebt

Klimawandel!

Apropos Klimawandel: Dass es den gibt, erhellt sich allein schon aus der Tatsache, wie sehr die Menschen immer weiter verdummen. (Da schließe ich mich ausdrücklich gar nicht mal bei aus.) Interessant ist, wie die These vom totalen Verblendungszusammenhang dadurch wieder neues Gewicht bekommt. Ein Spaziergang durch das Netz belegt die Situation sehr gut. Da gibt es jetzt tatsächlich so etwas wie zuckerfreie Schulen, da will man Kinder, weil sie nicht mehr sinnentnehmend Lesen können mit zwei Jahren zwangsweise in Kindergärten stecken (anstatt deren Eltern!). Das geht so quer durch die Landschaft zumindest in der Gegend, die ich noch einigermaßen überblicken kann (also Deutschland).

Erkrankte Personen sollen sich künftig selbst behandeln. Nein, das müssen sie schon. Gerade im Bereich psychischer Erkrankungen muss sich der Betroffene selbst um alle Formalitäten kümmern. Klingt plausibel, ist logisch.

Lichterkette. Foto: Hufner
Lichterkette. Foto: Hufner

Überhaupt: Wie soll sich denn sonst erklären lassen, dass der Kraft von Argumenten viel einfacher und durchschlagender mit der Kraft von Empörung und Erregung begegnet werden kann. Georg Simmel:

„Es ist von einer noch gar nicht genug beachteten Bedeutung für die soziale Kultur, dass sich mit der verfeinernden Zivilisation offenbar die allgemeine Wahrnehmungsschärfe aller Sinne sinkt, dagegen ihre Lust- und Unlustbetonung steigt.“1Georg Simmel: Soziologie, Frankfurt/M. 1992, S. 734.

Und er ergänzt:

„daß die nach dieser Seite hin gesteigerte Sensibilität im Ganzen sehr viel mehr Leiden und Repulsionen als Freuden und Attraktionen mit sich bringt.“2Georg Simmel: a.a.O.

Das trifft eben auch auf das Denken zu. Es wird immer mehr gedacht und immer mehr Menschen beteiligen sich am Denken, gleichzeitig sinkt die Schärfe der Gedanken teilweise bis ins Bodenlose. Sofern man überhaupt noch von der Äußerungen von Gedanken reden kann und nicht vom bloß interessegetriebenen Geschwalle.

Ja, in der Tat, es gibt immer mehr Menschen, die Lesen können, aber immer weniger, die verstehen, was da geschrieben steht. Was Juan Allende-Blin einmal in einem Hörspiel ganz am Ende sagte: “Wer hören will, der hört auch aus der Ferne. Wer nicht hören will, der hört auch aus der Nähe nicht” lässt sich anstandslos auf das Denken übertragen.

Die Netzkultur mit ihren #Hashtags-Zyklonen fördert diese Art des geistigen Klimawandels, ist Ergebnis und Ursache zugleich. Empörung wird so, als eigentlich wichtiges Kommunikationsmittel, zu reinen Bequemlichkeit und Klickroutine. Die Denkkampagnen sind mediengerecht produziert. “Schlag”-Worte werden zur verbalen Gewalt. Der Mob der Sesselfurzerinnen sozusagen macht seinem inneren Kesselüberdruck Luft. Die Zyklen werden immer kürzer, das Aufsehen muss entsprechend größer werden. Damit geht die Vereinfachung einher.

So einfach ist das. Und differenzierter zugleich.

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Fussnoten:

  • 1
    Georg Simmel: Soziologie, Frankfurt/M. 1992, S. 734.
  • 2
    Georg Simmel: a.a.O.