18. März 2024 Die Masse lebt

Minimal und repetitive Musik – Das Goeyvaerts-Genom

Vor einiger Zeit habe ich über das Krenek-Genom nachgedacht und ihn mit der Erfindung der Musik von Phil Glass in Verbindung gebracht.

Heute gibt es eine neue Findung: Karel Goeyvaerts “Composition No. 4” aus dem Jahre 1952 mit der er die Phasenschiebe-Musik von Steve Reich vorwegnimmt! Und keiner hats gemerkt.

Zuerst dachte ich dabei: Okay, dass das noch niemandem aufgefallen ist, erstaunt mich jetzt doch sehr, wo doch Goeyvaerts doch so ziemlich alles erfunden hat, was man musikalisch erfinden kann. Allem voran die “Serielle Musik” mit seinem Stück für zwei Klaviere. Worüber man auch mal nachdenken könnte übrigens. Während um 1925 die Streichquartette nur so aus dem Boden spriessten, sind es zwischen 1948 und 1955 Stücke für Klavier (eins, zwei oder zwei- oder vierhändig).  Es hat alles seine Zeit.

Aber zurück zu Composition No. 4. Wenn ich das richtig sehe geht es hier um Töne (mit Pausen) von verschiedener Dauer, die andauernd wiederholt werden. Da diese Einzeltöne mit ihren Pausen verschieden lang dauern, verschieben sie sich mit der Zeit. Am Ende  liegen sie einigermaßen wieder übereinander und das Stück ist zu Ende.

Diese Technik der Periodik kennt man eigentlich auch schon von Glockengeläuten, die auch mit bestimmten Perioden aus Klang und Stille arbeiten, dabei spielen dann dann die Schwingungsdauern der Glocken ihre Rolle ebenso wie gewisse Zufälligkeiten der Mechanik.

Bei Reich findet man das in der Pendulum Music (1968) auch wieder – pendelnde Mikrofone.

Allerdings mit dem Kniff, dass hier am Ende der Schwingungsaktion eine dauerhafter Ton/Klang steht.

Wieder das gleich Prinzip mit anderer Pointe bei Ligetis „Poeme Symphonique“ für 100 Metronome (wobei man sich fragen darf, warum ausgerechnet 100 und nicht vielmehr 104?) aus dem Jahr 1962.

Übrig bleiben die die am strärksten aufgezogenen Metronome mit der langsamsten Schwingungszahl. Das ist mechanisch bedingt und dadurch etwas hervorsehbar. Der Weg ist der von einer chaotisch-wirkenden Gesamtsituation hin zu einer einfachen. Ebenso bei Reichs Pendulum-Music. Der Witz dabei ist ulkigerweise der, dass es sich ja doch nicht um chaotische Situationen handelt, sondern um ziemlich klare, eindeutige – wodurch sie sich wiederum von dem Glockengeläute unterscheiden, dass relativ chaotisch bleibt, die ganze Zeit über.

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