28. März 2024 Die Masse lebt

Arbeitslosengeld I – Anspruch auf Risiko

Gerade flattert aus dem Deutschen Bundestag herein, der Antrag der Linksfraktion, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I zu verlängern (16/3538), sei abgelehnt worden – von SPD, CDU, FDP und den Grünen. Pro Jahr Arbeitsdauer hätte es einen Monat länger Arbeitslosengeld geben sollen, so der Antrag.

Die Grünen meinen, “dass der Vorschlag Anreize für den Vorruhestand und nicht zur Integration älterer Menschen in den Arbeitsmarkt schaffe”, was ich für eine sehr kreative aber dämliche Antwort halte.

Von der FDP heißt es, der Vorschlag weise in die falsche Richtung: “Man wolle Arbeit schaffen und nicht Arbeitslosigkeit verwalten.” Die Logik erschließt sich mir zwar nicht, weil, letzteres ist unausweichlich und zweitens führt die Kürze des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht zwingend zu Arbeit. Wenn doch, wäre ich für die Abschaffung des Arbeitslosengeldes I.

Die Regierungsparteien (CDU/SPD) hingegen verschanzen sich hinter der Argumentation, das Arbeitslosengeld sei eine Risiko- und keine Anspruchsversicherung: “So könne es durchaus sein, dass ein Arbeitnehmer bis zu seiner Pensionierung in die Versicherung einzahle, ohne je einen Euro wieder herauszubekommen.” Das ist doch toll! Aber kein Gegenargument. Finde ich bemerkenswert! Eigentlich, in besseren Zeiten, ist die Arbeitslosenversicherung etwas Überflüssiges. Die Einnahmen kassiert dann, wer? Gegen den Antrag sind doch nicht diejenigen, die nie etwas herausbekommen aus dieser Versicherung. Nebenbemerkung: “So könne es durchaus sein …” steht da. Abschied vom einstigen Normalfall. So wird aus dem “Risiko” die Norm.

Aber unabhängig davon. Warum wird dann überhaupt der Rest noch an die Einzahlungsdauer gekoppelt. Ein Tag in Arbeit mit Risikoversicherung reicht ja nicht aus. Genaueres liest man Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach. Das vielzitierte Beispiel etwa der Feuerversicherung hilft da eben nicht. Da sollte der Schutz mit einem bestimmten Termin beginnen, mit der ersten Einzahlung beispielsweise.

In der Tat will man die Arbeitslosenversicherung als Risikoversicherung verkaufen, aber das geht nur durch die Formulierung nicht nach Maßgabe ihres Inhalts. Denn im Kern ist sie noch beides, folgt man der Logik ihres Aufbaus. Sie ist de facto Ansparverischerung und sie erlangt erst danach den Status eines Risikoversicherung. Das mag vielleicht ja auch ganz vernünftig sein, sonst wären die Beiträge vermutlich deutlich höher – irgendwo muss das Geld ja auch wieder herauskommen. Aber deswegen, und gerade deswegen darf man darüber streiten, wie die beste Mischung der beiden Versicherungsformen und -leistungen sein können.

Hierbei darf der Gesetzgeber nicht allein den Weg der simpelsten Errechnung gehen. Er hat da zu berücksichtigen, dass das Ignorieren von Ansparleistungen über den Versicherungsbeitrag von vielen als ungerecht empfunden wird. Und er hat zu berücksichtigen, dass es andererseits eben niemanden (nehme ich mal an) etwas ausmacht, dass er, so er durcharbeiten kann und darf, keinen Pfenning zurückbekommt. Das nennt sich dann die solidarische Komponente dieser Einrichtung des Arbeitslosengeldes. Diese Leistung der Beitragszahler ebenso zu vernachlässigen, führte dahin, will man es konsequent denken, dass man die Arbeitslosenversicherung am besten privatisiert, Wettbewerb schafft. Dann müssen diejenigen, die in Bereichen mit größerem Arbeitslosigkeitssrisiko eben tiefer in die Tasche greifen und andere erhalten bessere Konditionen. Bei Krankenkassen plant man ja ähnliches oder macht es sogar schon. Dahin geht es doch, wenn ich mich nicht täusche.

Erst entmündigen, dann in “Eigen”verantwortung entlassen und schließlich das Risiko aus- und verteilen. Und wenn und aber, ohne Einspruchsmöglichkeit. Dass die CDU das gerne so will, obwohl es dem Ganzen Schaden zufügen würde, erwartet man ja, dass aber auch SPD und GRÜNE zum Ende nichts anderes machen, selbst falls sie es noch wollten, ist traurig. Die FDP will mehr als sie kann und kann weniger als sie denkt.

 

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