18. April 2024 Die Masse lebt

Kultur-Kampf im Radio

Aus Anlass der Veränderungen in den sogenannten Kulturprogrammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheint sich eine Bewegung in Gang zu setzen, die die deutsche Rundfunklandschaft in zwei Richtungen teilt.

Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein Kulturprogramm im Wesentlichen nach Marktwerten beurteilen, auf der anderen Planer, die von einer langfristigen Konzeption eines gründlichen Rundfunkprogramms ausgehen. Dazu gibt es einen höchst interessanten Artikel in der Online-Faz von Frank Kaspar: Klassik, nichts als Klassik!. Zum Phänomen des Deutschlandfunks schreibt er da:
Günter Müchler sieht den Erfolg des DLF gerade im Prinzip der Themensendungen zu festen Einschaltzeiten begründet: “Wir glauben, daß unsere Hörer ein begrenztes Zeitbudget und ausgeprägte Special Interests haben und das, was sie interessiert, nicht eher zufällig in einem Musikteppich finden möchten. Angesichts des ausufernden Informationsangebots wächst heute das Bedürfnis nach gezielten Zugriffen.” In den letzten Jahren konnte der Deutschlandfunk seine Reichweite kontinuierlich steigern, auch dort, wo regionale Nachrichtenradios wie NDR 4 oder MDR Info ihm Konkurrenz machen. Das Altersmittel seiner Hörer liegt bei 57 Jahren, die Gruppe der Zwanzig- bis Neunundzwanzigjährigen wächst. Beim DLF sieht man sich deutlich in der Position einer konservativen und planungssicheren Programmgestaltung. Da gibt es keine modischen Reformen oder Reförmchen. Zielsicheres Einschalten ist angesagt. Informationen auf den Punkt eben.

Das können die neuen Konzepte wie bei RBB oder MDR FIGARO gar nicht mehr leisten. Da muss man dran bleiben, wenn man nicht “die” Information verpassen will, die man wirklich braucht. Gleichzeitig sind diese Infos aber auch so beschnitten formatiert, dass sie kaum noch in einer nötigen Tiefe und Breite behandelt werden können.

Das Problem der neuen Programme zeigt sich allzumal auch in einer “waghalsigen Gegenüberstellung”, wie sie Müchler vom DLF kritisiert, wenn von Seiten des RBB beispielsweise gesagt wird, daß die “Zeit des alten Redakteursradios, in der der Redakteur und nicht das Publikum das Maß des Angebots war” vorrüber sei. Das klingt wie Hohn auf fünfzig Jahre Kulturradio. Auf Redakteure wie Alfred Andersch im Hessischen Rundfunk in 50er bis 60er Jahren.

Absolut gewiss ist, dass Beiträge wie diejenigen eines Adorno in den 50er und 60er Jahren heutzutage überhaupt nicht mehr denkbar wären. War damals die Schmerzgrenze einfach nur höher, hat man sich sowas einfach gefallen lassen? War das denn am Publikum vorbei, wenn man anspruchsvolle Texte oder Diskussionen im Radio senden ließ?

Schon eine Frage, wie sie einmal Heinz-Klaus Metzger aufgeworfen hat: “Soll man die Musik an die Hörer bringen, oder soll man die Hörer zur Musik bringen?” zeugt ja von schmerzhaften Vermittlungsproblemen. Muss sich eine kulturelle Leistung daran messen lassen, wie und ob sie Publikum in quotenstarker und messbarer Weise hervorbringt? Kann man nicht mit dieser Anforderung viele kulturelle Leistungen der Vergangenheit als eigentlich vergeblich charakterisieren? Und nur, weil heute van Gogh teuer und geschätzt wird, kann er rückwirkend als bedeutend angesehen werden? Van Gogh war damals eine Pflaume – weltfremd und betriebsblind, ein Auslaufmodell, welches nie in Trab kam. Eigentlich hat er alles falsch gemacht. Und heute: Großer Mann, große Bilder.

Man stelle sich auch einmal vor, der Schulunterricht würde nach Maßstäben der neuen Kulturprogramme gestaltet. Herausforderungslos, Häppchen-Halbwissen vermittelnd – naja Hauptsache die Stimme und die Kleidung der Lehrenden ist aktuell und korrekt.

Meines Erachtens wird unterschätzt, was sich Hörer angedeihen lassen würden, wenn es doch nur kontinuierlich passierte. Man schaltet doch nicht mit sechs Jahren sein Gehirn ab und lässt sich bloß noch programmieren. Lernen kann eben auch mal schmerzhaft sein.

Zurück Christoph Lindenmeyer vom Bayerischen Rundfunk wird auch im obengenannten Artikel zitiert. Er sei “mehr denn je davon überzeugt, daß innerhalb der jeweiligen Programmfamilien von Massen- und zielgruppenorientierten Programmen die Chance zukunftsfähig ist, ein ,anderes Radio’ anzubieten: ein Medium für Entdeckungen, für Originalproduktionen, nicht nur ein Medium für Sekundärberichterstattung und die Befriedigung breit ermittelter Bedürfnisse.”

Denn orientierte man sich an letzteren ausschließlich, dann hätte das wirklich eine grundlegende Veränderung der Kultur-Hörfunks zur Folge: Seine Abschaffung nämlich. Denn die breite Masse hört weder Klassik- noch Kulturprogramme – und kosten tuts ohnehin proportional zu viel. Das sieht der Programmchef von Bayern2Radio, Klaus Kastan, ganz richtig: Unser “Programm kostet soviel wie die anderen vier Wellen des BR zusammen. Wenn wir weniger als 1,5 oder wenigstens ein Prozent Marktanteil erreichen, ist das nicht mehr zu rechtfertigen.” Ehrlich gesagt und den eigenen Ansprüchen aus den Marketingabteilungen folgend muss man sich auch mal eingestehen: Das ist nie zu rechtfertigen und war noch nie zu rechtfertigen. Jedenfalls nicht mit diesen Mitteln.

Kulturelle Bildung ist genauso wenig zu rechtfertigen wie Menschlichkeit.

Aus Anlass der Veränderungen in den sogenannten Kulturprogrammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheint sich eine Bewegung in Gang zu setzen, die die deutsche Rundfunklandschaft in zwei Richtungen teilt.

Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein Kulturprogramm im Wesentlichen nach Marktwerten beurteilen, auf der anderen Planer, die von einer langfristigen Konzeption eines gründlichen Rundfunkprogramms ausgehen. Dazu gibt es einen höchst interessanten Artikel in der Online-Faz von Frank Kaspar: Klassik, nichts als Klassik!. Zum Phänomen des Deutschlandfunks schreibt er da:
Günter Müchler sieht den Erfolg des DLF gerade im Prinzip der Themensendungen zu festen Einschaltzeiten begründet: “Wir glauben, daß unsere Hörer ein begrenztes Zeitbudget und ausgeprägte Special Interests haben und das, was sie interessiert, nicht eher zufällig in einem Musikteppich finden möchten. Angesichts des ausufernden Informationsangebots wächst heute das Bedürfnis nach gezielten Zugriffen.” In den letzten Jahren konnte der Deutschlandfunk seine Reichweite kontinuierlich steigern, auch dort, wo regionale Nachrichtenradios wie NDR 4 oder MDR Info ihm Konkurrenz machen. Das Altersmittel seiner Hörer liegt bei 57 Jahren, die Gruppe der Zwanzig- bis Neunundzwanzigjährigen wächst. Beim DLF sieht man sich deutlich in der Position einer konservativen und planungssicheren Programmgestaltung. Da gibt es keine modischen Reformen oder Reförmchen. Zielsicheres Einschalten ist angesagt. Informationen auf den Punkt eben.

Das können die neuen Konzepte wie bei RBB oder MDR FIGARO gar nicht mehr leisten. Da muss man dran bleiben, wenn man nicht “die” Information verpassen will, die man wirklich braucht. Gleichzeitig sind diese Infos aber auch so beschnitten formatiert, dass sie kaum noch in einer nötigen Tiefe und Breite behandelt werden können.

Das Problem der neuen Programme zeigt sich allzumal auch in einer “waghalsigen Gegenüberstellung”, wie sie Müchler vom DLF kritisiert, wenn von Seiten des RBB beispielsweise gesagt wird, daß die “Zeit des alten Redakteursradios, in der der Redakteur und nicht das Publikum das Maß des Angebots war” vorrüber sei. Das klingt wie Hohn auf fünfzig Jahre Kulturradio. Auf Redakteure wie Alfred Andersch im Hessischen Rundfunk in 50er bis 60er Jahren.

Absolut gewiss ist, dass Beiträge wie diejenigen eines Adorno in den 50er und 60er Jahren heutzutage überhaupt nicht mehr denkbar wären. War damals die Schmerzgrenze einfach nur höher, hat man sich sowas einfach gefallen lassen? War das denn am Publikum vorbei, wenn man anspruchsvolle Texte oder Diskussionen im Radio senden ließ?

Schon eine Frage, wie sie einmal Heinz-Klaus Metzger aufgeworfen hat: “Soll man die Musik an die Hörer bringen, oder soll man die Hörer zur Musik bringen?” zeugt ja von schmerzhaften Vermittlungsproblemen. Muss sich eine kulturelle Leistung daran messen lassen, wie und ob sie Publikum in quotenstarker und messbarer Weise hervorbringt? Kann man nicht mit dieser Anforderung viele kulturelle Leistungen der Vergangenheit als eigentlich vergeblich charakterisieren? Und nur, weil heute van Gogh teuer und geschätzt wird, kann er rückwirkend als bedeutend angesehen werden? Van Gogh war damals eine Pflaume – weltfremd und betriebsblind, ein Auslaufmodell, welches nie in Trab kam. Eigentlich hat er alles falsch gemacht. Und heute: Großer Mann, große Bilder.

Man stelle sich auch einmal vor, der Schulunterricht würde nach Maßstäben der neuen Kulturprogramme gestaltet. Herausforderungslos, Häppchen-Halbwissen vermittelnd – naja Hauptsache die Stimme und die Kleidung der Lehrenden ist aktuell und korrekt.

Meines Erachtens wird unterschätzt, was sich Hörer angedeihen lassen würden, wenn es doch nur kontinuierlich passierte. Man schaltet doch nicht mit sechs Jahren sein Gehirn ab und lässt sich bloß noch programmieren. Lernen kann eben auch mal schmerzhaft sein.

Zurück Christoph Lindenmeyer vom Bayerischen Rundfunk wird auch im obengenannten Artikel zitiert. Er sei “mehr denn je davon überzeugt, daß innerhalb der jeweiligen Programmfamilien von Massen- und zielgruppenorientierten Programmen die Chance zukunftsfähig ist, ein ,anderes Radio’ anzubieten: ein Medium für Entdeckungen, für Originalproduktionen, nicht nur ein Medium für Sekundärberichterstattung und die Befriedigung breit ermittelter Bedürfnisse.”

Denn orientierte man sich an letzteren ausschließlich, dann hätte das wirklich eine grundlegende Veränderung der Kultur-Hörfunks zur Folge: Seine Abschaffung nämlich. Denn die breite Masse hört weder Klassik- noch Kulturprogramme – und kosten tuts ohnehin proportional zu viel. Das sieht der Programmchef von Bayern2Radio, Klaus Kastan, ganz richtig: Unser “Programm kostet soviel wie die anderen vier Wellen des BR zusammen. Wenn wir weniger als 1,5 oder wenigstens ein Prozent Marktanteil erreichen, ist das nicht mehr zu rechtfertigen.” Ehrlich gesagt und den eigenen Ansprüchen aus den Marketingabteilungen folgend muss man sich auch mal eingestehen: Das ist nie zu rechtfertigen und war noch nie zu rechtfertigen. Jedenfalls nicht mit diesen Mitteln.

Kulturelle Bildung ist genauso wenig zu rechtfertigen wie Menschlichkeit.

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